Warum der Hass auf Straßenpanzer sich jetzt besser anfühlt
Man kennt es, das ungute Gefühl, dass mit einem selbst etwas nicht in Ordnung ist, dass die Gesundheit von Körper oder Geist beeinträchtigt sein könnte, wenn man an sich wiederkehrende Symptome bemerkt, die sich nicht ohne weiteres einordnen lassen. Man will nicht zum Arzt, auch aus Angst vor Pathologisierung, aber man ist irritiert, denn früher war alles besser, jedenfalls fitter, und außerdem symptomlos. Erst wenn man anfängt, sich ob immer öfter auftretenden Unwohlseins zu fragen, ob andere das auch kennen und ob es da Gegenmittel oder Behandlungsmöglichkeiten gibt, fängt man an, endlich eine Neugier auf den wissenschaftlichen Namen für den eigenen Zustand zu entwickeln. Noch länger im Unklaren und alleingelassen mit den chronisch werdenden Symptomen, ist man bald gar so weit, dass man eine Diagnose um jeden Preis will: Irgendwer Beschlagenes soll sagen, was man hat – koste es, was es wolle. Schließlich ist man nach langer Unsicherheit sogar bereit, eine infauste Prognose zu akzeptieren, etwas Unheilbares. Nur der Dauerzustand von Unklarheit, Namenlosigkeit des eigenen Problems zermürbt.
Doch Rettung naht oft aus unerwarteter Richtung: Ich fand sie heute bei Lektüre meiner Lieblingszeitung. Schon oft habe ich mich (nachlesbar) über die ästhetische Geißel des postmodernen Straßenverkehrs geärgert, um nicht zu sagen ereifert. Die stetig steigenden Zulassungszahlen von Geländewagen-Mimikrys, aka Straßenpanzer, führten zu steigender Irritation meinerseits, denn immer öfter fragte ich mich, ob ich alleine bin in meiner Ablehnung dieser beliebten Ungetüme, die in Sachen Ästhetik, Energieverbrauch und Sperrigkeit doch komplett auf der Verliererseite des Lebens stehen. Endlich, es ging beim erlösenden Zeitungsartikel um einen schmucken neuen Kombi der Marke Volvo, und jemand hatte etwas Kluges unters Fotos geschrieben, und heureka!, jetzt habe ich´s, und es ist meine Diagnose: Ich bin „SUV-Phobiker“. Nicht automotive Retinitis, nicht ästhetopathische Auto-Emesis, nicht Sozialneid sind meine Diagnosen, nein! Einfach nur „SUV-Phobie“. Heilbarkeit: keine. Denn die jahrelange Desensibilisierungstherapie ist gescheitert. Aber ich bin nicht allein. Linderung könnte eintreten, wenn wir SUV-Phobiker unsere örtlichen Abgeordneten davon überzeugten, sich endlich für eine Ästhetiksteuer auf hässliche Fahrzeuge einzusetzen. Das würde zwar auch viele Klein- und Kastenwagen treffen, gar nicht zu reden von der durch Knautschheck peinlich verunstalteten 5er BMW-Limousine, aber es ginge in die richtige Richtung. Endlich eine Diagnose! Ob ich mit ihr leben kann, wird sich erweisen, aber es tut gut zu wissen, dass es einen Namen für mein Problem gibt.